Einführung in die Klärungsorientierte Psychotherapie

Was ist Klärungsorientierte Psychotherapie?

Grundannahme, Anwendungsbereiche und Kompatibilitäten Klärungsorientierter Psychotherapie

• Indikation zur Klärungsorientierten Psychotherapie

Indikation zur Klärungsorientierten Psychotherapie
Rainer Sachse & Janine Breil

1. Einleitung
Die Frage nach der Indikation, also welche Behandlung für einen Patienten mit seinen spezifischen Problemen optimal ist, zählt zu den wichtigsten Fragen der Psychotherapie (Baumann, 1981; Baumann & von Wedel, 1981; Bommert, Henning & Wälte, 1990; Grawe, 1992; Margraf, 2000; Perrez, 1998; Schumacher & Brähler, 2000). In diesem Beitrag soll diskutiert werden, bei welchen Klienten, bei welchen psychischen Störungen und in welchen Situationen ein klärungsorientiertes Vorgehen sinnvoll sein kann.

Hierzu sollen zunächst einige allgemeine Überlegungen zur Bedeutung von Indikationen dargestellt werden. Es wird ein Modell vorgeschlagen, das zwischen einer theoretischen und einer therapeutisch-praktischen Ebene unterscheidet. Im Folgenden wird zuerst auf die theoretische Ebene der KOP eingegangen: Im Rahmen der Störungstheorie werden die relevanten Problemdeterminanten und daran anschließend im Rahmen der Therapietheorie die den Ansatzpunkten zugeordneten Techniken der KOP dargestellt. Es folgen einige Hinweise auf das therapeutisch-praktische Vorgehen. Aus der Darstellung der Problemdeterminanten ergibt sich, bei welchen psychischen Störungen KOP indiziert ist. Am Ende dieses Kapitels finden sich Hinweise auf eine sinnvolle (zeitliche) Reihenfolge der Bearbeitung der relevanten Ansatzpunkte und des damit verbundenen Einsatzes der verschiedenen Behandlungselemente innerhalb der Therapie.

2. Indikation zur KOP: Prinzipielle Überlegungen
Die Frage nach der Indikation soll beantworten, ob, und wenn ja, welche therapeutische Maßnahme wann für einen Klienten sinnvoll ist. Es gibt unterschiedliche Ansatzpunkte, die zur Indikationsstellung herangezogen werden können. In der Klärungsorientierten Psychotherapie wird empfohlen, dass sich Therapeuten nicht allein an Oberflächenmerkmalen wie Symptomen orientieren (Sachse, 2006a, 2006b), sondern dass sie die den Symptomen zugrunde liegenden psychischen Prozesse berücksichtigen. Entsprechend sollen die therapeutischen Maßnahmen auf die zugrunde liegenden psychischen Prozesse abzielen und diese in einer konstruktiven Weise verändern.

Zur Indikationsstellung ist eine Störungstheorie hilfreich. Die Störungstheorie definiert, welche psychischen Prozesse und Faktoren bei einer Störung relevant sind (= Problem-Determinaten). Es muss dann im Einzelfall festgestellt werden, ob die als relevant definierten psychischen Prozesse bei diesem Klienten auch tatsächlich vorliegen (= diagnostizierte Determinanten).

Darüber hinaus wird eine Therapietheorie benötigt, die konkrete Strategien und Interventionen spezifiziert, die auf bestimmte interne Problem-Determinanten abzielen (= Ansatzpunkte) und die bestimmte therapeutische Effekte zur Folge haben sollen (= Ziele). Diese Strategien müssen dann vom Therapeuten in der Interaktion mit einem spezifischen Klienten realisiert werden (= konkrete Strategien).


Abbildung 5.1: Therapie- und Störungstheorie

Auf der theoretischen Ebene ist es notwendig, dass die Therapie-Theorie und die Störungs-theorie aufeinander bezogen, also kompatibel sind:

Die Störungstheorie definiert die Problemdeterminanten, die auf Klienten-Seite gegeben sein müssen, damit die therapeutischen Strategien auf Therapieziele sinnvoll und effektiv angewandt werden können. Die Therapietheorie definiert genau solche Strategien, die geeignet sind, die relevanten, von der Störungstheorie spezifizierten internalen Determinanten zu beeinflussen.

Durch diese Kompatibilität von Störungstheorie und Therapie-Theorie besteht also auf dieser Ebene eine "Passung" zwischen Therapie- und Störungstheorie und damit eine theoretische Indikation. Auf der praktisch-therapeutischen Ebene stellt sich dann die Frage, ob die (aus der Therapietheorie abgeleiteten) praktischen, vom Therapeuten durchgeführten Strategien voraussichtlich zu den tatsächlichen internalen Determinanten eines konkreten Klienten passen, ob es also auf dieser Ebene eine Indikation gibt (= praktische Indikation).

Hierbei müssen zwei Punkte berücksichtigt werden. Zum einen muss festgestellt werden, ob bei einem Klienten die relevanten Problem-Determinanten vorliegen. Falls ja, sind die Strategien in diesem Fall indiziert (selektive Indikation). Zum zweiten muss festgestellt werden, wie diese Determinanten bei diesem konkreten Klienten genau aussehen, damit die Strategien an den Klienten angepasst werden können (adaptive Indikation; vgl. Margraf, 2000; Schumacher & Brähler, 2000).

Auf der theoretischen Ebene stellt die KOP einerseits allgemeine und störungsspezifische Störungstheorien zur Verfügung, in denen spezifiziert wird, wie eine Störung "psychologisch funktioniert". D.h., dass spezifiziert wird, welche Arten internaler Determinanten (z.B. Schemata, Motive usw.) in welcher Weise interagieren, damit bestimmte Arten von Problemen entstehen. Andererseits wird in der Therapie-Theorie spezifiziert (vgl. Püschel & Sachse, 2009; Sachse, 1992, 2003; Sachse, Breil & Fasbender, 2009; Sachse, Fasbender & Breil, 2009; Sachse et al., 2008), welche therapeutischen Strategien mit welchen therapeutischen Zielen und welchen therapeutischen Ansatzpunkten die KOP bietet. Im Folgenden werden die in der KOP als relevant betrachteten internalen Determinanten dargestellt (= Störungstheorie). Diese finden sich dann als Ansatzpunkte für die dargestellten therapeutischen Strategien wieder (= Therapietheorie).

3. Störungstheorie: Relevante internale Determinanten
In der Störungstheorie der KOP spielen die folgenden internalen Determinanten als therapeutische Ansatzpunkte eine Rolle:
Probleme von Klienten gehen oft auf problematisches Interaktionsverhalten, auf sogenannte manipulative oder intransparente "Spiele" zurück, die Klienten hohe interaktionelle Kosten verursachen. Mit diesem manipulativen Verhalten kann sich auch der Therapeut in der Interaktion mit den Klienten konfrontiert sehen. Hierzu gehört auch eine Form der schwierigen Interaktionssituation, der Beziehungstest.

Der Problembereich des dysfunktionalen Interaktionsverhaltens verweist auf eine spezifische Schwierigkeit in der Psychotherapie. Die Klienten haben bestimmte Probleme, die sie im Alltag stören, wegen derer sie sich in Therapie begeben und die für eine Besserung der Symptomatik verändert werden sollten. Diese Probleme können gleichzeitig einen großen Einfluss auf den therapeutischen Prozess haben. Dies bedeutet für den Therapeuten, dass er mit diesen Problemen so umgehen muss, dass sie den Prozess nicht weiter behindern, um sie dann erst behandeln zu können. Dasselbe gilt auch für den folgenden Problembereich.
Im Folgenden werden die therapeutischen Strategien dargestellt, die zur Bearbeitung der genannte psychischen Faktoren und internalen Determinanten entwickelt wurden.

4. Therapietheorie: Was hat KOP an Strategien zu bieten?
Wie deutlich wurde, können drei Arten von Ansatzpunkten unterschieden werden:
  1. Problembereiche, welche die Symptomatik und Schwierigkeiten des Klienten bedingen, jedoch kaum Einfluss auf den Therapieprozess haben

  2. Problembereiche, welche die Symptomatik und Schwierigkeiten des Klienten bedingen und zudem Einfluss auf den Therapieprozess haben

  3. Schwierigkeiten, die sich vor allem im Therapieprozess zeigen und die die Bearbeitung der problemdeterminierenden Faktoren behindern

Es wird mit der Darstellung der Strategien für die internalen Determinanten begonnen, die es zu bearbeiten gilt, die jedoch kaum Einfluss auf den therapeutischen Prozess haben.
5. Von der theoretischen zur praktischen Indikation
Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass es für eine Indikation in der Praxis wesentlich ist, bei einem konkreten Klienten festzustellen, ob die relevanten internalen Determinanten vorliegen oder nicht (= Diagnostik der Determinanten).

In der Arbeit über Diagnostik (Kapitel 3) und der Arbeit über Modellbildung (Kapitel 6) wurde deutlich, dass für die Diagnostik therapeutische Expertise erforderlich ist und dass verschiedene Datenquellen berücksichtigt werden müssen.

Das am weitesten verbreitete Diagnostikinstrument ist die Exploration. Für sie gilt ebenso wie die Testdiagnostik, dass Aspekte, die Klienten nicht explizit kognitiv repräsentiert sind, nicht valide erfasst werden können. Außerdem sind beide Zugangswege anfällig für Verzerrungen, die dadurch entstehen, dass Klienten mit Interaktionsschwierigkeiten die Intention haben, sich in bestimmter Weise darzustellen.

Deshalb ist es sinnvoll zusätzlich Interaktionsdiagnostik zu betreiben. Zum einen brauchen Schemata, Motive und Spiele, um überhaupt erkennbar zu sein, entsprechende Aktivierung durch relevante auslösende Situationen; d.h. dass entsprechende Indikatoren meist nur in Interaktionssituationen auftreten. Zum anderen lassen sich mit entsprechenden Wissensstrukturen auf Seiten des Diagnostikers in der Interaktion relevante Determinanten, die der Klient nicht bewusst repräsentiert hat, erschließen. Hierfür kann ein längerer Therapieprozess erforderlich sein.

Wenn bei einem Klienten die beschriebenen Problemdeterminanten diagnostiziert werden, sind die dargestellten KOP-Strategien indiziert.

Sind diese Bedingungen nicht gegeben, d.h. andere als die genannten Gründe liegen einem Klientenproblem zugrunde, dann besteht keine Indikation für KOP. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Probleme (z.B. ein Angstproblem) auf klassische Konditionierungsprozesse, auf Kompetenzdefizite oder auf neuropsychologische Funktionsdefizite zurückgehen. In diesen Fällen sind verhaltensnahe Techniken wie Reizkonfrontation oder Trainings indiziert. Diese können ggf. (z.B. wenn zusätzlich ein Schemaproblem vorliegt) mit Techniken der Klärungsorientierten Psychotherapie kombiniert werden.

Hieran schließt sich die Frage an, bei welchen psychischen Störungen die beschriebenen internalen Determinanten relevant sind und somit eine Indikation zur Klärungsorientierten Psychotherapie gegeben ist.

6. Indikation zur KOP bei verschiedenen psychischen Störungen
Bei folgenden Störungen besteht eine Indikation für KOP. Diese Auflistung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern betrachtet lediglich die häufigsten psychischen Störungen.

1. Persönlichkeitsstörungen
Die reinen Persönlichkeitsstörungen sind histrionisch, narzisstisch, dependent, selbstunsicher, passiv-aggressiv, zwanghaft, paranoid und schizoid. Auch wenn sich die Ausprägung der einzelnen Merkmale zwischen diesen Störungen unterschiedet, sind sie gekennzeichnet durch unbefriedigte Beziehungsmotive, dysfunktionale und kompensatorische Schemata, dysfunktionales Interaktionsverhalten, mangelndes Vertrauen zum Therapeuten.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung gehört zu den hybriden Störungen. Ein Teil der Störung lässt sich durch die bei den reinen Persönlichkeitsstörungen beschriebenen Merkmale erklären. Hierfür ist KOP indiziert. Hinzu kommt eine Emotionsregulationsstörung, die am besten durch ein Training im Rahmen einer dialektisch-behavioralen Therapie zu behandeln ist.

2. Psychosomatik
Bei psychosomatischen Klienten (v.a. Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen) finden sich als Determinanten unklare Motive und Alienation, dysfunktionale Schemata und sehr starke Vermeidenstendenzen.

3. Abhängigkeitserkrankungen
Bei Klienten mit Abhängigkeitserkrankungen finden sich dysfunktionale Schemata, Alienation, fehlende Motivation und Vermeidung. Zudem ist hier die hohe Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen relevant.

4. Depression
Bei Depressionen spielen neben anderen Prozessen, die auch andere Interventionsformen erfordern, dysfunktionale Schemata eine Rolle.

5. Angststörungen
Während bei der Spezifischen Phobie und der Panikstörung mit und ohne Agoraphobie die genannten Determinanten kaum eine Rolle spielen, sind gerade bei den "komplexeren" Angststörungen die zugrunde liegenden dysfunktionalen Schemata nicht zu vernachlässigen. Hierzu gehören die Soziale Phobie, die Zwangsstörung, die Generalisierte Angststörung und die Posttraumatische Belastungsstörung.

Zu prüfen ist auch bei jeder Angst, ob die sorgenvolle Beschäftigung mit bestimmten Themen nicht von anderen schmerzhafteren Themen ablenkt oder ein diffuses Gefühl (verursacht durch die Aktivierung) durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Ziel (z.B. der Möglichkeit eine körperliche Erkrankung zu haben) vermeintlich kontrollierbar wird.

7. Reihenfolge der Bearbeitung der relevanten Determinanten
Ein wichtiges Prinzip bei der Frage, womit in der Behandlung begonnen werden soll, ist, dass Problembereiche Vorrang haben, die sich ausschließlich oder zusätzlich im Prozess zeigen.

Phase 1: Beziehungsaufbau
In jeder Therapie muss - wenn es in diesem Bereich Schwierigkeiten gibt - am mangelnden Vertrauen zum Therapeuten bzw. am "mangelnden Beziehungskredit" gearbeitet werden. Entsprechend sind Allgemeine und Komplementäre Beziehungsgestaltung zu verwirklichen. Ebenfalls so früh wie möglich müsste mit den unbefriedigten Beziehungsmotiven (= komplementäre Beziehungsgestaltung) und mit dem dysfunktionalen Interaktionsverhalten (= Umgang mit Images und Appellen, Nicht-Komplementarität zur Spielebene, Umgang mit Beziehungstests) umgegangen werden.

Phase 2a: Umgang mit Bearbeitungsschwierigkeiten
Mit zunehmendem Vertrauen kann der Fokus auf ggf. vorhandene Vermeidungstendenzen gelegt werden. In einem ersten Schritt ist es günstig, der Vermeidung des Klienten durch Steuerung entgegen zu wirken. Fehlt es zudem an Änderungsmotivation und Arbeitsauftrag, muss dieser Problembereich durch motivationssteigernde Techniken bzw. Konfrontation bearbeitet werden.
Erst dann kann der zweite Schritt im Umgang mit vorhandenen Vermeidungstendenzen gemacht werden, die Bearbeitung der Bearbeitung.
Im Folgenden kann dann zunehmend in die inhaltliche Arbeit eingestiegen werden.

Phase 2b: Auseinandersetzung mit interaktionellen Zielen, Strategien und Kosten
Bei ausgeprägt dysfunktionalem Interaktionsverhalten müssen dem Klienten seine Strategien und ihre Kosten durch konfrontative Techniken weiter verdeutlicht werden.
In diesem Kontext werden die kompensatorischen Schemata des Klienten herausgearbeitet, da diese die Basis für die interaktionellen Ziele sind, die durch die intransparenten Interaktionsstrategien erreicht werden sollen.
An dieser Stelle kann auch auf den Problembereich Unbefriedigte Beziehungsmotive eingegangen werden, da die Nicht-Befriedigung der Motive ein Kostenfaktor der dysfunktionalen Interaktionsstrategien sein kann.

Phase 3: Schemaklärung und -bearbeitung
Im nächsten Schritt würden dann ggf. vorhandene dysfunktionale Schemata geklärt und bearbeitet werden.

Phase 4: Bearbeitung unklarer Motive und der Alienation
Wenn (noch) unklare Motive vorliegen oder wenn der Klient ein hohes Ausmaß an Alienation aufweist, sollte die Bearbeitung jetzt zum Inhalt der Therapie werden

Phase 5: Aufbau alternativer Verhaltensweisen
Wenn dysfunktionales Interaktionsverhalten oder unerfüllte Beziehungsmotive vorliegen, wird nun an dem Aufbau alternativer Verhaltensweisen gearbeitet.

In der Übersicht hieße das (s. Abbildung 5.2):

1. Phase: Beziehungsaufbau
• Ansatzpunkt: Mangelndes Vertrauen zum Therapeuten bzw. "mangelnder Beziehungskredit"
  -> Allgemeine und komplementäre Beziehungsgestaltung

• Ansatzpunkt: Unbefriedigte Beziehungsmotive
  -> Umgang damit durch komplementäre Beziehungsgestaltung

• Ansatzpunkt: Dysfunktionales Interaktionsverhalten
  -> Umgang damit durch: Umgang mit Images und Appellen, Nicht-Komplementarität zur Spielebene, Umgang mit Beziehungstests

2a. Phase Umgang mit Bearbeitungsschwierigkeiten
• Ansatzpunkt: Hohe Vermeidungstendenzen
  -> Steuern

• Ansatzpunkt: Fehlende Änderungsmotivation und fehlender Arbeitsauftrag
  -> Motivationssteigernde Techniken oder Konfrontation

• Ansatzpunkt: Hohe Vermeidungstendenzen
  -> Bearbeitung der Bearbeitung

Phase 2b: Auseinandersetzung mit interaktionellen Zielen, Strategien und Kosten
• Ansatzpunkt: Dysfunktionales Interaktionsverhalten
  -> Bewusst machen der interaktionellen Strategien und ihrer Kosten

• Ansatzpunkt: Kompensatorische Schemata
  -> Herausarbeiten

• Ansatzpunkt: Unbefriedigte Beziehungsmotive
  -> Kosten salient machen

Phase 3: Schemaklärung und -bearbeitung
• Ansatzpunkt: Dysfunktionale Schemata
  -> Schemaklärung und Schemabearbeitung

Phase 4: Bearbeitung unklarer Motive und der Alienation
• Ansatzpunkt: Unklare Motive und Alienation
  -> Klärung und Explizierung der Motive und Bearbeitung der Alienation

Phase 5: Aufbau alternativer Verhaltensweisen
• Ansatzpunkt: Dysfunktionales Interaktionsverhalten und/oder unbefriedigte Beziehungmotive
  -> Aufbau alternativer Verhaltensweisen


Abbildung 5.2: Reihenfolge der Bearbeitung der relevanten Determinanten nach Phasen unterteilt: Therapeutische Ansatzpunkte (graue Kästen) mit dazugehörigen therapeutischen Strategien (weiße Kästen)

Bei dieser Phasenübersicht handelt es sich um eine grobe Orientierung für die Reihenfolge, in der die verschiedenen Ansatzpunkte in der Therapie berücksichtigt werden. U.U. muss bei einem konkreten Klienten eine andere Phasenreihenfolge gewählt werden.

Zudem werden die Phasen häufig nicht linear durch laufen, so dass in vorhergehende Phasen zurückgegangen werden muss. So kann es z.B. beim Aufbau alternativer Verhaltensweisen (Phase 5) zu einer erneuten Schemaaktivierung kommen, die den Klienten blockiert. Dies kann eine erneute Schemabearbeitung (Phase 3) erforderlich machen.

V.a. bei den Phase 2a (Umgang mit Bearbeitungsschwierigkeiten) und 2b (Auseinandersetzung mit interaktionellen Zielen, Strategien und Kosten) ist damit zu rechnen, dass es zu einem fortwährenden Wechseln zwischen den beiden Phase kommt und der Therapeut flexibel entscheiden muss, welchen Ansatzpunkten er jeweils Priorität einräumt. In einer Therapie sähe der Ablauf dann z.B. folgender Maßen aus: Konkretisieren, Anfangen zu konfrontieren, weiter steuern ggf. mit Vermeidung konfrontieren und Gründe klären (Bearbeitung der Bearbeitung) bis man konkretere Informationen erhält, diese dann nutzen, um weiter zu konfrontieren usw.

Hinzu kommt, dass es erforderlich sein kann, die Bearbeitung eines Ansatzpunktes aus einer späteren Phase vorzuziehen. Dies gilt z.B. für das Explizieren der Bedürfnisse. Teilweise ist es sinnvoll, dies schon in Phase 1 vorzunehmen, da es im Rahmen der Beziehungsgestaltung Beziehungskredit bringen kann und / oder um durch die Repräsentation der Motive eine interne Instanz im Klienten zu schaffen, welche die Kosten seines Verhaltens spürbar macht.


Literatur

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Entnommen aus:

Sachse, R. & Breil, J. (2011).
Indikation zur Klärungsorientierten Psychotherapie.
In: R. Sachse, J. Fasbender, J. Breil & M. Sachse (Hrsg.), Perspektiven Klärungsorientierter Psychotherapie II, 80-93. Lengerich: Pabst.